Brigitte Mayr & Michael Omasta
ACF at 65. A tribute from SYNEMA

28 Rutland Gate London. Der gediegene Salon des Hauses im ersten Stock ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Die Dunkelheit im Raum wird einzig gebrochen vom hellen Licht des vorgeführten Films über Wolf Suschitzky, einer eindringlichen Porträtstudie von Joerg Burger. Wolf, der liebenswerte, aus Wien stammende Fotograf und Kameramann hat dank des einfühlsamen Umgangs der Regie in dieser kaum halbstündigen Dokumentararbeit alles offengelegt, was ihm wichtig war und ist – seinen Weg hin zum Film, das Glück, zwei Weltkriege und den Holocaust überlebt zu habe, den Stolz auf seine Kinder, Enkelinnen und Urenkel, eine lebenslange Berufung gefunden zu haben im Handwerk des Kameramanns und Fotografen und ebenso eine Heimat in Großbritannien, speziell in London, wo er sich zuhause fühlte. „Mein Deutsch ist etwas rostig“, spricht er uns aus den Filmbildern heraus an, „ich muss mich entschuldigen, ich lebe schon über 70 Jahre weg von Wien und gebrauche es sehr selten.“

Dafür hat er uns, das Publikum, das sich jetzt mit tosendem Applaus von den Sitzen im Österreichischen Kulturforum erhebt, sehr eloquent unterhalten – und das, vor allem dank Joerg Burgers präziser Kamera, auch visuell. Der Künstler ist natürlich anwesend, so wie Wolf Suschitzky und seine Partnerin Heather es immer waren, wenn wir von SYNEMA hier in London gemeinsam mit dem Austrian Cultural Forum sein filmisches und fotografische Werk aus mehr als sieben Dekaden präsentieren durften.

Wolf verbeugt sich, freundlich blickt er auf die Anwesenden, in seinen Augen blitzt Herzlichkeit, Verschmitzheit ebenso wie Gerührtheit, denn das Gros der 2010 zur Präsentation unseres zweiten Buches über ihn und die Eröffnung der von Fritz Urschitz und uns kuratierten Ausstellung Gekommenen, waren seine engsten Familienangehörigen wie etwa sein Sohn Misha Donat, Weggefährten wie Mike Hodges oder der uns und Wolf stets zur Seite stehende Fotograf Tony Wallis, Freunde und Freundinnen aus einer langen Lebenszeit, aber eben auch ganz unterschiedliche Menschen, die sich für diesen außergewöhnlichen Mann interessierten.

Doch nun zu den Meriten der Institution, die dies alles ermöglichte. Nicht nur die Direktorinnen und Leiter der Jahre zwischen 2004 und 2019, sondern vor allem die über viele Jahre erprobten Teams der engagierten Mitarbeiter*innen, die uns umsichtig begleitet haben und natürlich der unermüdliche Motor des FilmClubs, Fritz Urschitz, der Wolf wie wir in tiefer Freundschaft verbunden war, haben mit uns gemeinsam diese unzähligen Events umgesetzt. Ohne das Kulturforum, das mit großer Verve den Austausch zwischen Österreich und Großbritannien pflegt sowie zeitgenössische, künstlerische und gesellschaftspolitisch relevante Projekte und Veranstaltungen unterstützt, wären sie niemals realisierbar gewesen.

Das reicht allein im Fall von Wolf Suschitzky im ACF für drei Buchpräsentationen jener Publikationen, die wir mit ihm gemeinsam über zehn Jahre verwirklicht haben, zwei umfassende Fotoausstellungen in der Galerie des Hauses am Rutland Gate, die mit uns und Wolf abgesprochen von Fritz Urschitz kuratiert wurden, den unvergesslichen CineClub- Abenden mit vergnüglichem Filmeschauen etwa von „Entertaining Mr. Sloane“ oder „The Young Visiters“ (heißt so, nicht korrigieren zu Visitors), ebenso wie „100 Minutes with Wolf Suschitzky“ als Tribute zu seinem 100. Geburtstag, für den wir Ausschnitte kompilierten aus seinen mehr als 200 Filmen, oder die Hommage „ A Man Named Su: Wolf Suschitzky – Photographer and Cameraman“, in deren Rahmen eben auch Joerg Burgers oben genannter Film lief.

Das schönste Kompliment aber, das man der im nicht nur ästhetisch beeindruckenden viktorianische Townhouse untergebrachten Institution machen kann, ist die entspannte Atmosphäre und das großartige Talent aller Beteiligten, hier auch jederzeit improvisieren zu können. An besagtem Januartag 2010 strömten soviele Besucher*innen ins Haus, das schon sehr bald an der Eingangstür ein handgeschriebener Zettel angbracht werden musste, auf dem stand: „The event is full & has started. Please refrain from ringing the bell. Many thanks!“

Doch dann begann das sprichwörtliche goldene Wiener Herz mitten im Londoner Stadtteil Knightsbridge zu schlagen. Man schickte die in der Lobby Wartenden nicht einfach weg, sondern bat sie, sich während der „ersten“ Filmvorführung einfach vor dem Haus bzw. in der Suschitzky-Ausstellung im Souterrain aufzuhalten, Geduld zu haben und bitte erst nach deren Ende in den Salon zu wechseln und das dort sitzende Publikum abzulösen. So konnten in der „zweiten“ Vorführung noch einmal ebensoviele Menschen das filmische Porträt von Wolf Suschitzky sehen und er, als einziger beide Male anwesend, schenkte seinen Charme nach dem Ende natürlich auch diesen Zuschauer*innen.

Diese hohe Kunst der Diplomatie, die das Kulturforum London in Situationen wie diesen pflegt, schätzen wir so sehr an dieser Institution und ihren Mitarbeiter*innen: einerseits die Etikette, die eine geordnete Veranstaltung erfordert, einzuhalten, andererseits aber keinen, der gerne in ihr Haus kommen will, zu enttäuschen.

Happy 65th Anniversary!

Congratulations on this wonderful milestone